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Nach den UEFA-Skandalen: Alles live in der ARD!
Jetzt auch im Hörfunk?

ARD-Radios drücken sich um klare Aussage zu Live-Fakes.
Schönenborns Live-Versprechen gilt nur fürs Fernsehen.

Was für ein herrlich großer Sturm der Entrüstung:
Jogi Löws Scherz mit dem Balljungen beim EM-Spiel gegen die Niederlande war ein Live-Fake, vor dem Spiel aufgezeichnet und so eingeblendet, als sei es eben gerade passiert. Das Gleiche gilt für das tränenreiche Bild einer Düsseldorferin beim Spiel gegen Italien. „Das geht doch nicht!“, rufen deutsche Medien und Zuschauer unisono aus – und haben damit natürlich völlig Recht. Hier sind Zuschauer von der UEFA-Zentralregie gezielt getäuscht worden.

Der Regisseur hat sich seine eigene Dramaturgie gebaut, die noch dazu eine falsche Lockerheit beim Bundestrainer suggeriert. Es ist eben kein Kavaliersdelikt, eine „alte“ Szene mal eben so in das laufende Spiel zu schneiden. Es transportiert eine falsche Botschaft. Denn über Löws Haltung während des Spiels sagt die Balljungen-Szene gar nichts aus. Und das Tränen-Bild der deutschen Anhängerin sagt nichts über die Stimmung der deutschen Fans nach den ersten beiden Gegentoren.

Groß ist der Sturm der Entrüstung nicht nur beim Zuschauer.
Auch ARD-Teamchef Jörg Schönenborn ließ sich zitieren: „[D]as deutsche Publikum erwartet, dass live drin ist, wenn live drauf steht. Live ist live und muss live bleiben!“
Doch gilt das auch für die ARD-Radios? Wie haben nachgefragt.

Dazu haben wir Schönenborns Zitat einzeln an die die ARD-Sender geschickt. Frage: Gilt „live ist live“ auch für den Hörfunk der öffentlich-rechtlichen Anstalten?

Die Antwort ist knapp und konzertiert. Statt sich einzeln damit auseinanderzusetzen, hat man sich hinter den Kulissen schnell abgesprochen. Keine 24 Stunden nach der dezentralen Anfrage – es könnte ja durchaus Unterschiede zwischen den Anstalten und auch zwischen deren Wellen geben – kommt die zentrale Antwort der stellvertretenden ARD-Pressesprecherin Bettina Altenkamp:

Auch beim Radio gibt es Hörgewohnheiten. Seit vielen Jahren werden in der ganzen ARD voraufgezeichnete Korrespondenten-Gespräche gesendet. Dabei werden Aussagen wie etwa: „Ich bin jetzt live verbunden mit…“ vermieden. Statt dessen gibt es andere Sprachregelungen wie z.B. „Dazu unser Korrespondent in….“. Generell werden aufgezeichnete Gespräche im Hörfunk nicht als „live“ angekündigt.

Diese Antwort der ARD ist unbefriedigend. Denn aufgezeichnete Interviews, die als 1:1-Gespräch verkauft werden, und Kollegengespräche aus der Konserve sind Alltag. Darüber aufgeklärt werden die Hörer selten. fair radio hat mehrfach darüber berichtet. Die betroffenen Wellen haben es nicht einmal dementiert. Es ist eben so praktisch. Und wer nicht „live“ sagt, der macht sich auch nicht schuldig am Hörer. Diese einfache Erklärung ist theoretisch freilich nicht anfechtbar. Sie lässt aber außer Acht, was Hörer denken und glauben, ohne dass es ihnen explizit gesagt wird. Ein Gespräch ist in der Hörerwahrnehmung – und in der Realität! – per se live. Alles andere gehört explizit gesagt, nicht andersrum.

Zum Weinen: ARD-Radios können sich trotz Diskussion um Live-Fakes im Fernsehen
nicht zu einer klaren Haltung durchringen.

 

 

 

 

Im Subtext der ARD-Antwort klingt also an, was niemand offen sagt: Ein wirklich aufrichtiger Umgang mit aufgezeichneten Interviews ist den Sendern zu kompliziert. Gerade bei jüngeren Wellen kommt im persönlichen Gespräch oft das Argument, eine Formulierung wie „Dieses Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet“ klinge doch nach Tagesthemen. Altbacken und bieder. Bitte nicht für die junge Zielgruppe. Geändert hat sich also nichts. Ähnlich klingende Antworten bekamen wir schon vor Jahren.

Dabei gibt es einfache Lösungen, ehrlich und fair mit aufgezeichneten Stücken umzugehen.

Und der Hörer? Der wird es uns nicht übel nehmen, dass ein Bundesminister nicht morgens Zeit hat, in zig Wellen gleichzeitig ein Live-Interview zu geben, und dass ein Popstar lieber einmal für alle Sender ein Interview gibt, als durch jeden Sender einzeln zu tingeln. Und wenn das spannende Interview dann wirklich live ist, weil die Redaktion sich ins Zeug gelegt hat, ist es zu Recht ein Highlight, das vom Hörer goutiert wird. Ganz bestimmt.

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