Radio SAW soll der Landesregierung eine Sondersendung verkauft haben.
Und erstaunlich: Einige halten das für ganz normal.
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Recherchiert hat die Geschichte die Magdeburger Volksstimme. Demnach hat Radio SAW sich vom Finanzministerium Sachsen-Anhalts bezahlen lassen und eine Sondersendung nach Maß geliefert.
Eine Sendung, in der die Regierung für ein besonderes Förderprogramm werben durfte. Nur: Für die Hörer habe das wie eine ganz normale Radiosendung geklungen.
Die Volksstimme schreibt, es habe keine Kennzeichnung als verkaufte Werbesendung gegeben – stattdessen viele Hinweise, dass die Sendung direkt von der Regierung konzipiert wurde. Das eindeutig nachzuweisen, wird vermutlich schwierig.
Denn entscheidend ist:
- Hat Radio SAW sich wirklich für die Sendung zahlen lassen?
- Und hat Radio SAW sich wirklich die Inhalte für die Sendung diktieren lassen?
Der Sender dementiert via facebook beides. Man habe nur Geld für Werbespots über das Förderprogramm bekommen. Und zwar von der IB, der Landesbank. Nicht vom Ministerium. Die Sendung dagegen sei unabhängig und ganz ohne Einfluss der Regierung entstanden.
Medienrechtlich wird das die entscheidende Frage sein, um die sich jetzt hoffentlich die Landesmedienanstalt kümmert. Wir von fair radio haben jedenfalls via programmbeschwerde.de eine Überprüfung angeregt (E-Mail anbei. Wer die Vorlage für eine eigene Beschwerde nutzen möchte, darf das gerne tun.)
Unabhängig davon, wie der Fall ausgeht, muss einen erstaunen, wie wenig klar den Beteiligten ganz offensichtlich die Tragweite ihrer Auskünfte ist. Was zum Beispiel soll man davon halten, dass ein Landesbanksprecher der Volksstimme offen bestätigt, das Interview mit dem Finanzminister sei auf Geheiß der Landesbank IB ins Programm genommen worden?
Aus dem Artikel der Magdeburger Volksstimme vom 12.7.2015:
„Die IB hat entschieden, dass es zu Beginn der Sendung ein Statement vom Richtliniengeber gibt, also von Finanzminister Bullerjahn“, sagte IB-Sprecher Thomas Kühne.
Doch wohl so viel:
Es wird anscheinend für normal gehalten, dass man als politische Institution, Bank, Auftraggeber, die Inhalte einer Radiosendung bestimmt. Interessant. Und vermutlich auch eine Folge der allzu leichtfertigen Versprechen, die viele Radiosender und -agenturen ja auch oft machen. Versprechen, die eine „optimale redaktionelle Einbindung“ in Aussicht stellen, „redaktionelle Inhalte und Kundeninformation optimal aufeinander abgestimmt.“ Wie bei SpotCom, der Vermarktungstochter von Antenne Bayern:
Längst hat diese Praxis das Vertrauen in unser Medium untergraben. Und schlimmer noch: Auch Hörer halten es zum Teil für normal und üblich, dass Privatsender ihre redaktionelle Sendezeit an Unternehmen und Politik verkaufen.
Dass das in Wahrheit ein Verstoß gegen den Rundfunkstaatsvertrag und die Werberichtlinien der Landesmedienanstalten ist, weiß offenbar kaum jemand. Dass es jedem journalistischen Kodex widerspricht, (einseitig) über Dinge zu berichten, nur weil jemand dafür bezahlt, scheint vielfach vergessen.
Ganz grundsätzlich zeigt der Fall also, wie dringend notwendig die Diskussion über eine klare und eindeutige Trennung von Werbung, PR und redaktionellen Inhalten im Radio ist. Und wie wichtig der vorsichtige Umgang damit!
Diese E-Mail hat fair radio am 13.09.2015 via programmbeschwerde.de an die Landesmedienanstalten geschickt.
Wer will darf sich gerne mit demselben Text für eine Überprüfung der Zusammenhänge dort stark machen:Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind durch einen Artikel in der Magdeburger Volksstimme auf anscheinend schwerwiegende Verstöße bei Radio SAW aufmerksam geworden.
http://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/20150912/verdeckte-werbung-bullerjahn-zahlt-fuer-radiobeitrag
Demnach hat der Sender am Montag, den 7.9.2015 seine komplette Sendung zwischen 20 und 22 Uhr an die Landesregierung verkauft. Eine Kennzeichnung war nach Angaben der Volksstimme nicht zu erkennen.
Auch in den Sendungsmitschnitten im Internet sind keine eindeutigen Hinweise erkennen. Und die Internetseite scheint uns nicht ausreichend gekennzeichnet. Sie erweckt den Eindruck, hier würden redaktionelle Inhalte präsentiert.
http://www.radiosaw.de/radio-saw-spezial/foerderprogramm-stark-iii
Uns ist bewusst, dass Radio SAW die Vorwürfe der Volksstimme dementiert. Der Sender habe nicht die Sendung, sondern nur Werbespots zum gleichen Thema verkauft.
Die Hinweise, die die Volksstimme gesammelt hat, scheinen uns aber erdrückend. Insbesondere die Aussagen aus der Landesbank, wonach die Landesbank direkten Einfluss auf die Besetzung der Interviewpartner genommen hat.
Interessant scheint uns auch die Antwort einer Regierungssprecherin auf eine direkte Rückfrage im RadioSAW-Forum: https://twitter.com/marcbiskup/status/642667344301543425/photo/1
Herzlichen Dank für Ihre Mühe und bitte halten Sie uns über ihre Erkenntnisse zu dem Fall auf dem Laufenden.
Mit freundlichen Grüßen
Verkauft oder nicht. Radio SAW hat für „Spezial“-Sendungen offenbar schon häufiger mit Ministerien in Sachsen-Anhalt zusammen gearbeitet.
Sowohl das Justiz- als auch das Sozialministerium haben das öffentlich bekannt gemacht.
Verblüffen muss dabei die Wortwahl. Denn in beiden Fällen ist von „Kampagnen“ die Rede, die man mit den Sendungen gestartet habe.
Beispiel 1 vom 16.07.2012:
Damals gab es offenbar ein „Radio SAW Spezial“ über ein Förderprogramm des Sozialministeriums. Die Radiosendung sei der Auftakt der Öffentlichkeitskampagne gewesen, ist zu lesen.
Beispiel 2 von Oktober 2014:
Damals war ganz offensichtlich das Ministerium für Gleichstellung Partner. Es ging um eine Kampagne zur Chancengleichheit. Und das Ministerium war begeistert vom Radio SAW Spezial: „Die Radiosendung bettet sich ein in die aktuelle Kampagne.“
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