oder: Ist Fake im Radio normal?
Der Skandal um die Reportage des Kischpreisträgers René Pfister ist noch frisch. Er beschrieb Ereignisse, die er nie erlebt hatte. Die Feuilletons waren voller Empörung. Eine Debatte über Qualitätsjournalismus entbrannte. Es war schließlich ein Spiegel-Artikel.
Dann trickst eine andere Preisträgerin ein bisschen und sagt das auch ganz unumwunden. Aber es interessiert niemanden. Ist ja auch nur Radio, also egal?
Was war passiert?
Die Radiomacherin Tina Hüttl hat den diesjährigen Axel-Springer-Preis für Junge Journalisten bekommen. Für eine hervorragende Reportage über einen „Bürgermeistermacher“ aus Baden-Württemberg, den Wahlkampfcoach Ulrich Heckmann.
Für Deutschlandradio Kultur begleitete Hüttl den Coach zwei Tage lang, fing Atmo ein, bekam sehr gute situative O-Töne – Kino im Kopf at it’s best. Im aktuellen Medium-Magazin erklärt sie allerdings überraschenderweise, dass ihre Reportage mit einem Fake endet. Mit einer Situation, bei der Tina Hüttl nicht dabei war. Die offenbar gar nicht so passiert ist? Und doch hat sie sie hörbar gemacht:
Aus dem Interview mit Tina Hüttl in
„Best of Axel-Springer-Preis für junge Journalisten 2011“
(Beilage im Medium-Magazin 6/2011), Seite 9:
Da stellen sich viele Fragen
Seit wann muss man bei einer Radioreportage nicht immer dabei sein, bei der Zeitung dagegen schon? Dabei erzeugt Hüttl doch so starke Bilder, so tolles Kino im Kopf am Ende ihrer Reportage: Der traurige Wahlkampfcoach, der dieses seltene Mal verloren hat – er lässt das Telefon weiter klingeln… Offenbar hat sich das gar nicht so zugetragen.
Und wer sagt eigentlich, dass man Geräusche aus dem Archiv nimmt? Im Hörspiel vielleicht. Aber doch nicht in Reportagen oder gebauten Beiträgen, bei denen man vorgibt, dabei gewesen zu sein.
Warum dann nicht gleich ein langes Interview fürs Fakten- und O-Töne-Sammeln und dann die saubersten Archiv-Atmos drunter mischen…?
Wie wär’s mit einer Debatte über Qualitätsjournalismus?
Oder ist es eben doch nur Radio?
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