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„Verarsche“, „Betrug“, „Beschiss“?
Hörer empört über Gewinnaktion bei 89.0 RTL

89.0 RTL bricht das Spiel ab, verschweigt aber die eigentliche Problematik und erklärt sich (erneut) zum moralischen Helden.
Landesmedienanstalt prüft Beschwerden.

Diese Woche, 89.0 RTL: Der Sender verspricht seinen Hörern den vollen Tank. Komplett. Für 89 Cent. Jede Stunde an einer anderen Tankstelle. Eine Woche lang. Ein echter Knaller, der vollmundig über den Äther geht.

Der Reporter ist demnach mittendrin im „Tankwahnsinn“ und angeblich hat er schon „n Haufen Leute glücklich gemacht.“ Wirklich?

Auf der facebook-Seite des Senders liest sich das ganz anders.     Dort laufen hunderte vor allem empörte Posts auf. Denn die Hörer haben inzwischen bemerkt: Die meisten von ihnen werden nicht für 89 Cent volltanken können. Im Kleingedruckten (EDIT: die Spielregeln sind inzwischen offline. Screenshot-Beleg, siehen unten.) heißt es nämlich: Nur

„die ersten drei Teilnehmer, die […] an dieser Tankstelle erscheinen, […] erlangen Anspruch auf den ausgelobten Preis.“

Screenshot Tankaktion 890RTL - Teilnahmebedingungen
Winziger Hinweis im Netz – Kein Ton davon auf Sendung
Auszug aus den Spielregeln der 89.0RTL-Tankaktion (Screenshot)

 

Im Radio gesagt hat das den Hörern keiner. Denn auf Sendung gehen immer nur die marktschreierischen Formulierungen vom

„Volltanken für 89 Cent – egal wieviel Liter. Der komplette Tank soll 89 Cent kosten… Jede Stunde tanken wir Dein Auto auf für 89 Cent pro Tankfüllung und das an unglaublichen 89 Tankstellen.“

Der Reporter spricht außerdem immer nur vom „nächsten Gewinner“ oder „einem“, der ihn glücklich anstrahlt. Im Hintergrund stets die theatral anmutende „Tankwahnsinn-Geräusch-Kulisse“ mit hupenden Autos und laufenden Motoren.

Der Höreindruck suggeriert klar: Hier drängeln sich Hörer, die alle für 89 Cent den Tank gefüllt kriegen.

Dass das NICHT so ist, ist auf den fair radio-Mitschnitten von Dienstag Vormittag kein einziges Mal zu hören. Nicht mal einen Hinweis auf die Spielregeln allgemein gibt es. Nur vereinzelt den kurzen Satz: „Alle Infos auf 89.0RTL.de“ Meist in den vorproduzierten Einspielern drumherum. Das war’s.

Für uns von fair radio ist das ganz eindeutig ein Verstoß gegen die Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstalten. Die schreibt in §10 nämlich eindeutig eine Informationspflicht vor. Die Hörer müssen demnach hingewiesen werden „auf die allgemeinen Teilnahmebedingungen und die Möglichkeit ihrer Kenntnisnahme“.

Laut §6 ist es außerdem verboten, die Hörer in die Irre zu führen:

Aussagen jeglicher Art, die falsch, zur Irreführung geeignet oder widersprüchlich sind, insbesondere über die Spieldauer, den Gewinn, […] sowie über die allgemeinen Teilnahmebedingungen und das Verfahren zur Auswahl der Nutzerinnen und Nutzer, einschließlich der Möglichkeit, ausgewählt zu werden, sind unzulässig.

Genau so haben wir von fair radio das (samt Mitschnitten) auch der zuständigen Landesmedienanstalt MSA mitgeteilt. Und wir waren nicht die Ersten. MSA-Direktor Martin Heine wusste jedenfalls gleich, worum es geht, bat aber um Geduld. Der Fall müsse erst sorgfältig geprüft werden.

Will heißen, das fragwürdige Gewinnspiel wird jetzt erstmal durch die Instanzen geschickt: Vorstand, Programmausschuss, Medienversammlung. Die erst kann über Sanktionen entscheiden. Und zwar frühestens im Oktober. Für die nächste Sitzung kommenden Mittwoch sei die Vorbereitungszeit zu knapp, sagt Heine.

Schade. Denn bis gerade eben (Mittwoch, 4.9., 16 Uhr 40 ) lief das Spiel unverändert weiter. So undurchsichtig und irreführend wie gehabt. Eine Sanktionierung zwei Monate später, hilft da nicht weiter.

Und der Sender blieb lange standhaft. Bis heute Nachmittag hatte er sich weder auf seiner facebook-, noch auf seiner Internetseite zu den Vorwürfen geäußert. Dabei gingen Hunderte Hörer-Posts über facebook ein, die sich vor allem eins wünschten:

Wieso seid ihr nicht so fair und sagt es den Hörern nicht das nur drei tanken dürfen für 89 cent.

…würdet ihr morgens die „kleine“ aber feine Info dazu sagen, dass lediglich die ersten drei ihre Tankfüllung bezahlt bekommen?

Doch der „Tankwahnsinn“ ging weiter. Auch zum Ärger der Tankstellen. Denn nicht alle wurden vorab über die Aktion informiert. An der Shell-Tankstelle in Laatzen zum Beispiel war Chefin Meryem Karbuz ganz und gar nicht begeistert von dem Gewinnspiel. Denn:

„Der Sender hat uns als Station nicht informiert und taucht dort auf mit drei Gutschein, verschwindet wieder und hinterlässt ein Riesen-Chaos.

Die Kunden stehen an der Tanke und sagen nicht ‚89.0 verarscht uns‘, die sagen ‚die Shell‘ verarscht uns. Das ist rufschädigend und macht uns als Tankstelle unglaubwürdig. Wir machen hin und wieder mal mit anderen Radiostationen solche Aktionen. Da ist das dann abgesprochen. Wenn wir nochmal bei sowas mitmachen, glaubt uns doch keiner mehr!“

Eine Tankstellenbesitzerin sorgt sich also um ihre Glaubwürdigkeit. Der Sender setzt sie dagegen weiter aufs Spiel. Denn nach „langen Beratungen“, – wie Programmchef Armin Braun uns versichert – wurde das Spiel heute (Mittwoch, 16 Uhr 45) abgebrochen. Voll inszeniert und höchst publikumswirksam:

Komisch nur: Vom Ärger und den Beschwerden der Hörer ist nicht die Rede! Stattdessen sorgt sich der Sender um die „Sicherheit“ der Hörer. 89.0 RTL also: der fürsorgliche Sender, der selbstlos und aufrichtig moralisch handelt!

Aus Sicht von fair radio ein trickreicher PR-Coup, den der Sender nicht zum ersten Mal auspackt. Doch Programmchef Braun widerspricht:

„Der Abbruch war nicht geplant. Wir wollten das Tanken durchziehen. Aber wir haben nie und nimmer mit einem derartigen Anstrum gerechnet.“

Die Hörer glauben das nicht. Auf facebook ist die Empörung auch nach dem Abbruch groß.

Bleibt die Frage, warum 89.0 RTL nach der ersten Beschwerdewelle nicht einfach klar und aufrichtig die Spielregeln kommuniziert hat? „Weil das alles nichts geholfen hätte,“ sagt Programmchef Braun. Die Hörer seien ja eh schon aufgebracht gewesen. Sie hätten dem Sender „Betrug“ vorgeworfen. Davon hätte man sie eh nicht abbringen können. Man habe sogar mit alternativen Formulierungen experimentiert. Auf Sendung habe man ein paar mal gesagt „wer zuerst kommt tankt zuerst“. Geholfen habe es nichts. Wann genau diese anderen Formulierungen auf Sendung gingen, konnte uns der Programmchef indes nicht sagen.

Für fair radio bleibt der „Tankwahnsinn“ deshalb fragwürdig. Denn der Sender hat die Hörer tagelang über die Spielregeln der Aktion im Unklaren gelassen. Er hat die Beschwerden durch sein Schweigen zur Empörung anwachsen lassen, um sich dann PR-trächtig als fürsorglicher Sender zu präsentieren.

Der Glaubwürdigkeit des Radios hat das schwer geschadet. Jetzt kann nur noch zweierlei helfen: Medien, die endlich über diese Manipulationen berichten. Und eine Landesmedienanstalt, die solche Aktionen endlich sanktioniert. Wir sind gespannt.

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