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„So jemanden kann man doch nicht interviewen!“

fair radio-Autorin Ann-Kathrin Büüsker über Haltung im Journalismus, glaubwürdige Radiointerviews und gute Recherche

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Solche Sätze höre ich oft im Arbeitsalltag. Als Reaktion in sozialen Medien, per Hörerpost oder privater Nachricht. Meist vom jeweils anderen Ende des Meinungsspektrums. Geht es um ein Interview mit einem Oppositionsvertreter aus Syrien – nein, um Gottes Willen, mit so jemandem kann man doch nicht reden! Die unterstützen am Ende noch Terroristen! Geht es um ein Interview mit einem Assad-Versteher – nein, um Gottes Willen, mit so jemandem kann man doch nicht reden, der redet Kriegsverbrechen klein! Möglicherweise ist an dieser Beurteilung etwas dran. Aber dann ist es meine Aufgabe das im Interview herauszuarbeiten.

Tatsächlich geht es jenen, die diese Kritik üben, meist darum, dass die andere Seite schlichtweg gar nicht erst zu Wort kommen soll. Es ist ein aktivistischer Standpunkt, der die eigene Sichtweise als die Wahrheit oder auch moralische Instanz definiert, der niemand Gegenrede leisten soll. Der missliebige Interviewpartner vertritt einen Standpunkt, der mit dem eigenen nicht in Einklang zu bringen ist, der als falsch definiert wird. Also soll er gar nicht erst befragt werden. Die „Mit so jemandem könnt ihr doch nicht reden!“-Rufe kommen dabei sowohl von rechts, als auch von links und oft genug auch aus dem eigenen Berufsstand. Und ich kann ihnen nur eines entgegen werfen: Doch, verdammte Hacke nochmal! Ich kann nicht nur mit „solchen“ Leuten reden, es ist mein Job.

Schwarz-Weiß-Denken funktioniert nicht

Ich bin nicht nur Journalistin, sondern auch Historikerin, daher ist für mich die Herangehensweise, mit der ich mich einem Ereignis nähere, sehr klar: Ich sichte die mir zur Verfügung stehenden Quellen, identifiziere Fakten und trenne sie von Meinungen und persönlichen Wahrnehmungen der Akteure. Letztere können durchaus in die Deutung der Ereignisse einfließen, doch ich mache subjektive Eindrücke als solche kenntlich, ordne ein, in welchem Kontext sie entstanden sind, und zeige, wie sie meine Schlussfolgerungen beeinflusst haben.

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Je breiter meine Quellenbasis, desto besser meine Möglichkeiten, desto leichter der Zugriff auf die Ereignisse. Eine breitere Quellenbasis macht Dinge jedoch auch komplizierter, weil differenzierter, Schwarz-weiß wird so nahezu unmöglich. Zum Glück.

Diese Arbeitsweise prägt auch meine journalistische Arbeit. In Recherchen, aber auch in Live-Interviews. Ich kann jemanden nicht als Interviewpartner ausschließen, bloß weil er meine Sicht der Dinge nicht teilt. Alleine der Gedanke ist für mich vollkommen abwegig.

Das wäre journalistisch unsauber und zudem auch zutiefst undemokratisch. Wer Meinungsfreiheit will, der muss Meinungspluralismus auch zulassen. Insofern muss ich allen, die nach den Regeln unserer Demokratie spielen, auch das Wort erteilen.

Aber…

Unter einigen entscheidenden Voraussetzungen:
Erstens: Ich muss Populisten nicht überdurchschnittlich oft das Wort erteilen. Nur weil sie laut schreien, heißt das nicht, dass sie in jeder Talkshow sitzen müssen. Und der Wunsch das eigene Ego im Interviewring mit Populisten zu messen, sollte auch nicht zur Basis für redaktionelle Entscheidungen werden. Um noch einmal auf das Bild des Historikers zurück zu kommen: Wenn ich eine Quelle überdurchschnittlich oft zitiere, ist an meiner Deutung der Ereignisse vielleicht etwas schief…

Zweitens: Ich muss klar machen, wo mein Gegenüber steht. Ziel meines Interviews ist, dass die HörerInnen sich über eine spezifische Sache ein besseres Bild machen können. Dafür müssen sie wissen, wo die Person, die sprechen wird, einzuordnen ist. Ist die Politikwissenschaftlerin, mit der es um die sozialpolitische Ausrichtung der SPD gehen soll, gewerkschaftsnah? Hat der Think-Tank-Experte zur amerikanischen Außenpolitik zuletzt für mehrere Jahre bei einer regierungsnahen Stiftung in Moskau gearbeitet? So, wie ich bei einer historischen Quelle einordne, woher sie stammt und mit welcher Intention sie verfasst wurde, muss ich auch die äußeren Umstände des Interviews deutlich machen.

Drittens: Im Gegensatz zum historischen Arbeiten habe ich einen enormen Vorteil: Ich kann meine Quelle alles fragen, was ich will. Das muss ich nutzen. Natürlich sind heute die meisten PolitikerInnen und viele ExpertInnen hervorragend geschult und wissen sich mit Phrasen vor konkreten Antworten zu drücken. Aber hier habe ich es als Interviewende in der Hand zu intervenieren. Und wenn ich eine Frage mehrfach stellen muss, um eine Antwort zu bekommen: Ich tue es. Wenn dann die Antwort nicht kommt, ist auch das eine deutliche Aussage.

Gut zuhören und entlarven

Ich muss vorbereitet sein, auf die Nebenstrecken, auf die mein Gegenüber mich gegebenenfalls locken will. Ich muss gut zuhören und Lügen entlarven. Das ist in Zeiten von falschen Behauptungen und offensichtlich gezielten Lügen wohl das Schwierigste an dem Job. Es gelingt nicht immer, leider.

Wichtig ist dabei, dass ich jeden Interviewpartner mit der gleichen Vehemenz angehe. Ich konfrontiere sie/ihn mit Gegenargumenten, mit Widersprüchen der eigenen Argumentation. Ganz egal, was meine eigene Position ist, meinem Interviewpartner begegne ich als Gegenspieler. Fair, aber konsequent. Mein Schwert ist die Frage – und ich führe es gegen jeden. Unabhängig davon, was ich für richtig halte. Ich befrage politische Akteure kritisch und fair.

Denn das ist mein Job.

Ann-Kathrin Büüsker ist Mitglied von fair radio und arbeitet für den Deutschlandfunk. Dieser Text erschien zuerst auf ihrem Blog uedio.de

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