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bigFM: biggester Beschiss

In unserer ersten Zusammenarbeit mit Übermedien haben wir einen dreisten Fake bei bigFM aufgedeckt. Die Landesstiftung Baden-Württemberg hat deswegen die Zusammenarbeit mit dem Sender aufgekündigt. Die Landesmedienanstalt untersucht den Fall. Die Landesmedienanstalt sieht keine Möglichkeit, den Fall zu rügen.

Am Donnerstag wird in Hamburg der Deutsche Radiopreis verliehen. Leider gibt es dort aber keine Kategorie namens „Bester Beschiss“ oder „Blödeste Inszenierung“, sonst würden wir jetzt noch schnell den privaten Stuttgarter Radiosender bigFM vorschlagen – für eine Marketing-Aktion, mit der er gestern versucht hat, seine Zuhörer für dumm zu verkaufen. Mal wieder.

Die Geschichte ist ein weiteres Kapitel in einer schon längeren fair radio-„Karriere“: 2013, zum Beispiel, warb der Privatsender mit Comedian Oliver Pocher als Teil der bigFM-Morningshow. Wie sich aber herausstellen sollte, waren Pochers Anteile an der Sendung nur aufgezeichnet und eingespielt. Zwei Jahre später kritisierte die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, dass bigFM eine angeblich private Handynummer einer Mitarbeiterin bei Facebook veröffentlichte und das im Programm ausschlachtete. Und 2016 kopierte Moderator Rob Green für bigFM ein altes Skandal-Rezept eines dänischen Senders, indem er so tat, als wolle er ein Kaninchen töten – live im Radio.

Nun hatte Rob Green wieder mal eine ganz tolle Idee. Am Montag, morgens früh um halb acht, schickte er angeblich eine WhatsApp-Nachricht an Marlen Gröger, die bei „Dasding“ moderiert, der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz. Green gab vor, Gröger spreche bei der SWR-Jugendwelle gerade die Nachrichten. Angebliches Ziel der Aktion: Die Moderatorin dort mal eben abwerben. Wenn sie sofort das Studio verlasse, noch in der Sendung, so Green, bekomme sie einen Job in „Deutschlands biggster Morningshow“. Als vermeintlichen Beweis für die Aktion postete bigFM die Nachricht anschließend auf Facebook:

bigFM Facebook-Post

„Wir schalten mal live rüber zu den Nachrichten der Konkurrenz“, behauptete Green in seiner Show. Seine Co-Moderatorin spielte dazu unheimlich begeistert: „Du bist eiskalt, echt!“ Und dann sollte es so scheinen, als würde Green seine Nachricht tatsächlich an die Konkurrenz-Moderatorin schicken, in die Live-Nachrichten, wo Marlen Gröger sie dann auch angeblich las und – sofort abbrach, um den SWR Richtung bigFM zu verlassen. „Was zum Teufel…“, zischelte die bigFM-Co-Moderatorin. „Was hast du gemacht, was ist passiert?“

Naja, nichts. Denn es ist natürlich sehr unwahrscheinlich, dass eine Nachrichtensprecherin Mitteilungen auf dem Smartphone liest, während sie gerade die Nachrichten spricht. Aber so verkauft es bigFM nun ganz groß: als verrückte Abwerbeaktion. Die Nachrichtensendung bei „Dasding“ klang allerdings an diesem Morgen ganz anders, als bei bigFM vorgegaukelt:

Die Nachrichten wurden dort nicht von Marlen Gröger gesprochen, sondern von Athene Pi Permantier. Es verlässt also auch niemand das Studio, schon gar nicht Marlen Gröger – die ist nämlich längst weg. Auf Nachfrage erklärt „Dasding“, dass Gröger „ihren Vertrag zum 1.9. bei ‚Dasding‘ beendet“ hat.

Was da bei bigFM am Montag passierte, ist also von vorne bis hinten inszeniert – ein Fälschung. Die Verpackung der angeblich öffentlich-rechtlichen Nachrichten, die bigFM eingespielt hat, stammt auch nicht von „Dasding“.

Der Privatsender bigFM nutzt das alles zum Eigenmarketing und um ein bisschen auf dem SWR rumzuhacken: Er habe öfter mal bei den öffentlich-rechtlichen Nachrichten zugehört, erzählte Rob Green gestern noch in seiner Sendung. Weil er wissen wollte, „wie schlecht sie es machen“, und dann sei ihm „eine Dame“ aufgefallen: Marlen Gröger, die nun ganz offiziell bei bigFM arbeitet.

Nach der Aktion hat bigFM noch ein paar Hörerreaktionen eingespielt. Natürlich nur Leute, die annehmen, die Aktion sei wirklich so gelaufen. Ein angeblicher Hörer feiert Green deshalb als „geilsten Typ auf der Welt“. Auf Facebook klingen die Reaktionen dagegen anders. Dort schreibt ein Hörer: „Die verarschen einen doch nur.“ Was angesichts der Historie dieses Senders keine ganz abwegige Annahme ist.

 

Wir haben übrigens auch bei bigFM ein Statement angefragt. Bisher gab es aber keine Antwort. Dagegen gab es eine Reaktion der Landesstiftung in Baden-Württemberg. Auch darüber hat Übermedien am Tag nach der ersten Veröffentlichung berichtet:

Eine Veranstaltung über „Fake-News“, unterstützt von einem Radiosender, der selber Fakes verbreitet? Beinahe wäre es so gekommen. Der Stuttgarter Privatsender bigFM sollte nächste Woche „FAKE/OFF“ präsentieren, einen Workshop für Erstwähler, der über Medien und „Fake-News“ aufklären will. Ausgerichtet wird die Veranstaltung von der gemeinnützigen Baden-Württemberg Stiftung, die sich bigFM als „Medienpartner“ ins Boot geholt hatte. Doch nun hat die Stiftung die Kooperation mit dem Sender für beendet erklärt.

„Ein Jugendradiosender wie bigFM hat eine Vorbildfunktion und ist der Wahrheit verpflichtet“, sagt nun Christoph Dahl, Geschäftsführer der Baden-Württemberg Stiftung. „Gerade im Zusammenhang mit der Veranstaltung, bei der es explizit um die Problematik von Fake News geht, müssen wir uns von Partnern distanzieren, die die Grenzen zwischen Wahrheit und Täuschung bewusst verwischen.“ Als Konsequenz, kündigt Dahl an, werde der Workshop nicht mehr wie geplant von einem bigFM-Moderator präsentiert.

Als Moderator war René Krämer eingeplant, der Chefredakteur von bigFM. Er hatte bereits für den Workshop getrommelt. „Woran erkennt man denn, welche Nachrichten wahr und welche fake sind? Diese Frage stelle ich mir in meinem Job fast täglich“, schreibt Krämer auf der bigFM-Seite. Wer wissen wolle, woran man erkenne, was wahr und was fake sei, solle sich für „FAKE/OFF“ anmelden, laut Eigenwerbung das „Camp für Fakten ohne Alternativen“.

Die Kooperation war auch deshalb interessant, weil bigFM nicht das erste Mal durch eine zweifelhafte Aktion aufgefallen ist. Die Stiftung habe sich für den Sender entschieden, „weil wir an die Zielgruppe ran wollten, also junge Leute“, sagt Dahl von der Baden-Württemberg Stiftung, früher selbst Journalist. Die aktuelle Aktion von bigFM finde er „nicht lustig“. Ein Sender für Jugendliche dürfe sich nicht „in solche seichten Fake-Gewässer“ begeben.

Fraglich ist noch, wie viel Geld bigFM von der gemeinnützigen Baden-Württemberg Stiftung bekommt. Nach Informationen von Übermedien wurden ursprünglich mehrere tausend Euro vereinbart. Details dazu möchte die Stiftung derzeit nicht nennen. Auch nicht, wofür genau der Sender das Geld erhalten sollte, außer für die Moderation der Veranstaltung, und wie viel bigFM davon trotz Abbruchs der Kooperation nun bleibt. Weitere Kooperationen mit bigFM schließt Geschäftsführer Dahl jedenfalls aus, auch wenn eine frühere Zusammenarbeit „gut geklappt“ habe.

Wir von fair radio haben den Fall an die zuständige Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg gemeldet. In der LFK-Antwort hieß es, der Fall sei bereits bekannt und werde geprüft. [Update: Die Landesmedienanstalt sieht keine Möglichkeit, den Fall zu rügen.]

Zuerst hatte Übermedien am 5. und 6. September 2017 über den Fall berichtet.

***

Update 10.09.2017: bigFM hat sich mittlerweile zu dem Fall geäußert. Nicht bei uns, aber gegenüber den „Stuttgarter Nachrichten“:
„bigFM bedauerte die Absage der Landesstiftung für die Veranstaltung – nicht aber die unseriöse Aktion als solche. Es sei letztlich nur darum gegangen, „eine neu gewonnene gute Journalistin prominent einzuführen“, sagte ein Sprecher unserer Zeitung: „Ein Jugendsender kann sich das erlauben.““

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