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Radio Gong auf Bewährung

Hörerin entlarvt Schleichwerbung
Bayerische Landesmedienzentrale verwarnt den Sender. Nur. Leider.

Autor: Daniel Meyer

Lisa Schober ist eine aufmerksame Hörerin. Als sie im Juni Radio Gong 97,1 Nürnberg eingeschaltet hatte, wunderte sie sich über eine – in ihren Ohren – dreiste Produktplatzierung und teilte ihren Höreindruck über ihre SocialMedia-Kanäle:

lisa schober

Ihr Freundeskreis war empört.
fair radio war verwundert.
Nivea verteidigte sich:

Interessant. Schleichwerbung also als Geschäftsmodell? Sieht ganz so aus. Bei Radio Gong jedenfalls hat die Bayerische Landesmedienzentrale das Vorgehen klar als Verstoß verurteilt. Gut so. Aber traurig: Strafe gibt’s keine!

Zur Erklärung hier die Entscheidungsgrundlage:

Das ist in diesem Fall der Rundfunkstaatsvertrag. Dessen Paragraph 7 beschäftigt sich mit „Werbegrundsätzen, Kennzeichnungspflichten“ und darin steht in Absatz 3 Satz 1:

Werbung und Teleshopping müssen als solche leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein.

Jetzt sind die Rechtsbegriffe in diesem Satz natürlich auslegbar. Was heißt denn z.B. „leicht erkennbar“? Hörerin Lisa Schober hat hier keine Werbekennzeichnung erkannt. Aber die muss sie dann wohl einfach überhört haben. Selbstsicher und sich keiner Schuld bewusst antwortet Radio Gong jedenfalls nach drei Tagen auf Lisas Post:

lisa schober gong

 

Ein „Pling“ also hat diesen Werbeblock eingeleitet und „strikt“ vom redaktionellen Programm abgegrenzt. „Pling“ das weltweit anerkannte Signal für „das hier ist Werbung, auch wenn es sich gar nicht so anhört“. Wer kennt es nicht?

Aber was die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags angeht, ist Radio Gong wohl erstmal auf der sicheren Seite. Paragraph 7 Absatz 3 Satz 3:

 Auch bei Einsatz neuer Werbetechniken müssen Werbung und Teleshopping dem Medium angemessen durch optische oder akustische Mittel oder räumlich eindeutig von anderen Sendungsteilen abgesetzt sein.

Ein „Pling“ ist natürlich zweifellos ein akustisches Mittel. Stellt sich aber die Frage, wie leicht dieses „Pling“ zu erkennen war. Da uns kein Mitschnitt der Sendung vorlag, haben wir von fair radio die zuständige Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) informiert. Auch Lisa Schober haben wir geraten, den Fall via www.programmbeschwerde.de zur Kontrolle einzureichen.

Daraufhin hat die BLM die Mitschnitte von Radio Gong überprüft und jetzt festgestellt.

Das „Pling“ war kaum zu hören, da es zusammen mit der Musik so gefahren wurde, dass es nicht als hinreichendes akustisches Trennmittel zu werten war.

Aha! Dann ist doch alles klar, los BLM, Feuer frei!!

 

haltstopp

Aber nein.

Erstmal schreibt die BLM einen formlosen Brief an Radio Gong, in dem sie dem Sender die Möglichkeit zu Stellungnahme in der Sache einräumt

Diese Möglichkeit nutzt Gong, gibt sich reumütig, räumt einen einmaligen Fehler ein und gelobt Besserung. Sogar das akustische Signal („Pling“) soll ab sofort bei solchen Beiträgen, … Entschuldigung, Werbeblöcken! –  an der Grenze zur Dauerwerbung, durch einen noch eindeutigeren Werbejingle ersetzt werden. Das verspricht Gong jedenfalls der BLM. Informell.

Und das reicht der BLM dann auch schon. Die „förmlichen Beanstandung“, aka „das Luftgewehr der Medienaufsicht“, bleibt in diesem Fall ungenutzt.

Die Bayerische Landesanstalt geht hier ganz großzügig vor nach dem Prinzip „in dubio pro reo“, im Zweifel FÜR den Angeklagten. Es bleibt ihr wohl auch nichts anderes übrig, denn sie hat nicht die Kapazitäten dauerhaft einzelne Programme zu überwachen und auf jedes „Pling“ zu achten. „Stichprobenmäßig“ werde Gong aber an vergleichbarer Stelle in nächster Zeit überprüft werden, wird uns versichert. Alles andere bleibt aber an aufmerksamen Hörern wie Lisa Schober hängen.

Trotzdem ist Radio Gong jetzt auf Bewährung, fällt der Sender zeitnah wieder durch ähnliche Vergehen auf, dann muss er sich was einfallen lassen.

Zu befürchten bleibt aber, dass einfach weitergemacht wird. Nach dem Motto: versendet sich, merkt schon keiner und irgendwo muss die Kohle ja herkommen.

Diese Einstellung aber schadet der Glaubwürdigkeit des ganzen Mediums. Radio wird nebenbei konsumiert, es ist nicht zurückspulbar und ich kann nicht überprüfen ob das Stück, was ich gerade höre redaktionell ist oder nicht, denn im Zweifel habe ich das kennzeichnende „Pling“ schon verpasst.

Eine „Hitgarantie“ braucht heutzutage auch kein Mensch mehr, dafür gibt es Streamingdienste, die wirklich „meine Musik“ spielen. Auf der Informationsebene, da kann Radio jedoch immer noch durch Zuverlässigkeit, Schnelligkeit und Authentizität punkten. Aber nur, wenn es auch zuverlässig, schnell und authentisch bleibt. In vielen privaten Sendern scheint dieses Bewusstsein abhanden gekommen zu sein und die Radiomacher sollten aufpassen, sonst folgt dem mangelnden Bewusstsein ein Mangel an Hörern und spätestens dann wird auch NIVEA seinen Werbeetat woanders ausgeben.

gong 2

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