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Die Landesmedienanstalten, die Medienaufsicht und das Nord-Süd-Gefälle

Warum Hörer in Schleswig-Holstein mehr wissen als in Bayern

Oder auch: Warum viele Landesmedienanstalten so ungern öffentlich über „schwarze Schafe“ reden, obwohl das ihre Aufgabe wäre. Wir haben einen Rundruf gewagt und sind überrascht.

„Na klar veröffentlichen wir alle Verstöße, die bei Radiosendern geahndet werden.“ Das sei ein Gebot der Transparenz, lässt man uns bei der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH) wissen. Und in der Tat: So sehen wir von FAIR RADIO das auch und freuen uns, dass in Schleswig-Holstein jeder Hörer öffentlich nachlesen kann, dass sich Radio Hamburg zum Beispiel von einer Elektronikkaufhauskette hat zahlen lassen, um im redaktionellen Teil Werbung für eine Digitalkamera zu machen.

Auch Dr. Uwe Hornauer, Chef der Landesrundfunkzentrale Mecklenburg-Vorpommern (LRZ), befürwortet die Veröffentlichung beanstandeter Fälle. Zitat: „Ich wüsste keinen vernünftigen Grund, warum man es nicht tun sollte.“Und doch sehen viele seiner Kollegen das ganz offensichtlich anders. Denn fast überall heißt die Antwort auf unsere Frage, ob Beanstandungen veröffentlicht werden: Nein.Selbst in den Geschäftsberichten, so sie denn online einsehbar sind, werden höchstens Zahlen genannt. Motto: „Es gab x Beschwerden. Daraus folgten y Beanstandungen.“ Was fehlt, sind Fallbeschreibungen und Sendernamen. Gerügt wird meist also nur hinter verschlossenen Türen. Aber warum? Antwort der Sächsichen Landesanstalt für Rundfunk und neue Medien (SLM):

„Die meisten von der SLM ausgesprochenen Beanstandungen beziehen sich auf Veranstalter, die lokale Programme verbreiten. Auch sind die Beanstandungen i. d. R. von geringerem Gewicht.
Vor diesem Hintergrund besteht keine Veranlassung, Beanstandungen landes- bzw. bundesweit bekannt zu geben.“

Soll wohl heißen: Im Lokalfunk darf der Hörer ruhig ein wenig hinters Licht geführt werden. Sind ja nicht so viele Betroffene. Das müssen die nicht gleich mitkriegen.

Ob die Beanstandungen der SLM übrigens wirklich immer so geringfügig sind, wie behauptet, lässt sich leider nicht überprüfen. Auch bei der SLM nämlich finden sich im Geschäftsbereicht nur nackte Zahlen, keine weiteren Beschreibungen. Die Frage bleibt also nach wie vor offen: Warum werden Hörer nicht über Verstöße bei Radiosendern informiert? Am meisten beeindruckt uns, was wir dazu von der Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) erfahren. Dort heißt es unverblümt:

„Der Hörfunk ist Ländersache, die Aufsicht also eng an die Länder gekoppelt. Da besteht nicht unbedingt der Druck, einzelne Veranstalter an den Pranger zu stellen.“

Im Klartext: Als Landesmedienanstalt kritisiert man offenbar besser keinen Sender öffentlich, der zur eigenen Klientel gehört. Da könnte ja einer am Ende sagen: „Schau her. In Niedersachsen machen viele unsauberes Radio. Aus Bayern dagegen hört man nie was.“ (Die BLM veröffentlicht nur dürre Zahlen im Geschäftsbericht.) Öffentlich kritisierte Sender könnten also einen Imageschaden erleiden. Und deshalb: lieber Stillschweigen bewahren. Schließlich ist man als Landesmedienanstalt ja auch eine Art Wirtschaftsförderer für Medienunternehmen im eigenen Land. Da wäre es unschön, ein Medienunternehmen zu vergrätzen. Verständlich.

Mit echter Medienaufsicht hat das allerdings dann nicht mehr viel zu tun. Denn die sollte sich einzig dem Hörer verpflichtet fühlen und zwar unabhängig davon, wo er wohnt und Radio hört. Und genau deshalb wäre es eine dringende Aufgabe, das Beschwerde- und Beanstandungsprozedere in den Landesmedienanstalten einheitlich transparent zu gestalten. Dazu würde dann auch gehören, diejenigen, die Beschwerden eingereicht haben, über die Bearbeitung ihrer Beschwerden auf dem Laufenden zu halten, selbst wenn es zu keiner Beanstandung kommt. Bislang gelingt das nicht.

Und noch was: Vermutlich würde es nicht schaden, dem Hörfunk und seiner Kontrolle insgesamt mehr Aufmerksameit zu schenken. Denn wie kann es sein, dass eine Publikation der Landesmedienanstalt NRW beim Hörfunk einen „Infiltrationsprozess der Public Relations in den Kernbestand journalistischer Kommunikationsinhalte“ (S.143) feststellt, aber jedes Jahr angeblich nur vereinzelte Beanstandungen wegen Schleichwerbung nötig werden?

PS: Den Rundruf bei den Rundfunkräten, die für die Beanstandungen im öffentlich-rechtlichen Hörfunk zuständig sind, haben wir uns als nächstes auf die Agenda geschrieben.

Warum Hörer in Schleswig-Holstein mehr wissen als in Bayern

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