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BR entschuldigt sich für vorgetäuschtes Live-Interview – Erfahrungen mit einem ″teuflischen Gespräch″

″Live-Interviews″ im Radio, die keine sind, gibt es immer wieder.

In manchen Fällen stimmt weder das eine noch das andere: Die Gespräche sind weder live, noch haben sie jemals als Gespräch stattgefunden.

Auch beim Bayerischen Rundfunk ist jetzt ein Sündenfall dokumentiert.

Betroffen: Der Radiomacher Marcus Wegner und natürlich die Hörer.

Der Hintergrund: Ein einstündiges Radio-Feature von Marcus Wegner.

Der Hintergrund: Ein einstündiges Radio-Feature von Marcus Wegner. Titel: „Beten auf Teufel komm raus. – Exorzismus in Deutschland heute“ (WDR 5, 18.05.2008).

Dieses Feature sorgte schon vor der Ursendung für Schlagzeilen. Nachdem die Süddeutsche Zeitung eine Rezension der WDR-Produktion abgedruckt hatte, wollte der Bayerische Rundfunk das Thema ebenfalls „exklusiv“ in seiner Sendung „theo.logik“ auf BR 2 behandeln.

Der Sender bat den Autor des WDR-Features, Marcus Wegner um ein auf das „katholische“ Bayern zugeschnittenes „Best-Off“, schließlich könne der Bayerische Rundfunk das Übernahmehonorar des Original-Features nicht zahlen.

So produzierte der freie Journalist Marcus Wegner eigens für den BR ein 17-minütiges Mini-Feature.

Anschließend, so die Planung der BR 2 – Redaktion, sollte der Journalist im Live-Gespräch den Fragen des Moderators Rede und Antwort stehen.

Was dann passierte, schildert Marcus Wegner so:

″Dieses rund 15-minütige Kollegengespräch wurde aus Termingründen wenige Tage vor der Sendung aufgezeichnet.

Mit dem zuständigen Redakteur war vereinbart, dass einige wenige O-Töne für die tagesaktuellen Nachrichten ausgekoppelt werden durften, da die Ergebnisse der zweijährigen Recherche besonders in Kirchenkreisen für gewaltige Schlagzeilen sorgen würden, was dann auch der Fall war.

Mehr als 180 Radiostationen, Fernsehsender, Zeitungen und Zeitschriften berichteten in den ersten Tagen über die täglich stattfindenden Teufelsaustreibungen in Deutschland.

An dem Tag nach der Ursendung beim Westdeutschen Rundfunk, Köln erreichten mich Interviewanfragen aus ganz Deutschland.

Durch geschicktes PR-Management vermittelte der BR den Eindruck, dass die Recherchen einzig für den Bayerischen Rundfunk erfolgten. Im Prinzip wäre das auch nicht schlimm gewesen, hätte mich nicht wenige Stunden vor Ausstrahlung seines BR-Mini-Features und des anschließenden Kollegengesprächs ein Anruf aus der bayerischen Landeshauptstadt ereilt.

„Hi, ich bins Sabine“, sagte lachend die Stimme aus dem Handy. „Du läufst ja schon den ganzen Tag bei uns in den Nachrichten rauf und runter.“

Sabine ist eine Kommilitonin. Ich habe sie zuletzt an der Uni gesehen, und das war Jahrzehnte her. „Hey, und da Du gerade in München bist, wollt ich fragen, ob wir abends zusammen etwas trinken gehen wollen…“

Ich stutzte. „Wieso München, ich sitze gerade im rund 600 Kilometer entfernten WDR-Studio Siegen.“

Nur durch dieses Telefonat erfuhr ich, dass auf Bayern 1 soeben ein längeres Interview mit mir gesendet worden war. Den Hörern wurde suggeriert, ich säße live im BR-Studio.

Klar, wer über Teufelsaustreibung, Dämonen und Besessene redet, läuft Gefahr, übernatürliche Phänomene selbst zu erleben. Doch das BR 1 Livegespräch hatte dann doch keinen übernatürlichen Ursprung:

Der Moderator stellte sehr persönlich wirkende Fragen, sprach ″mich″ im Interview mehrfach namentlich an.

Und, wäre das nicht schon ein übernatürliches Wunder genug gewesen, antwortete ich dank digitaler Schnitttechnik auch – allerdings mehrfach überhaupt nicht auf die Fragen des Moderators.

Offenbar stolz, den Exorzismus-Experten und Kollegen Wegner Live im Studio gehabt zu haben, stellte der Bayerische Rundfunk das „Kollegengespräch“ auch noch als Podcast ins Internet (Audio anbei).

BR 1 hatte aus dem vorproduzierten Kollegengespräch für BR 2 Antworten von mir herausgeschnitten und völlig neue Fragen vorangestellt.

Für mich unfassbar.

Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk Antworten aus einer anderen Live-Schalte zusammenhanglos auskoppelt und dann auch noch die Frechheit besitzt, neue, völlig andere Fragen mit mehrfacher persönlicher Ansprache vor diese meine Antworten zu schneiden, ist mehr als fragwürdig.

Inzwischen hat der Bayerische Rundfunk das gefakte Interview wieder aus dem Internet entfernt. Nach einer Beschwerde gab’s dann via Email sogar die folgende offizielle Entschuldigung:

Sehr geehrter Herr Wegner,

über unseren Kollegen haben wir von den Irritationen und Ihrem Ärger über einen Sendeplatz auf Bayern 1 am Montagnachmittag zum Thema Exorzismus gehört.

Inzwischen haben wir Ihr Gespräch auf Bayern 2 und den angesprochenen Sendeplatz auf Bayern 1 nachgehört und verglichen. Sie haben völlig Recht. Auf Bayern 1 konnte man den Eindruck gewinnen, unser Moderator würde mit Ihnen in diesem Moment ein Gespräch führen. Das ist nicht korrekt und dafür können wir uns nur entschuldigen.

Mit den Kollegen von Bayern 2 war vereinbart, Auszüge aus deren Gespräch mit Ihnen zu senden – aber nicht, ein Interview nachzustellen.

Wir bitten ausdrücklich um Entschuldigung und würden Ihnen gerne wenigstens ein Gesprächshonorar überweisen, auch wenn diese Frage sicher nicht der zentrale Punkt Ihrer Beschwerde war.

Bitte übermitteln Sie mir doch kurz per Mail ihre Postadresse und Bankverbindung, damit wir das Honorar anweisen können.

Auf diesem Wege auch von unsere Seite nochmal ein Kompliment für Ihre Berichterstattung zum Thema Exorzismus.

Mit freundlichen Grüßen aus München,

Bayern 1

Mein Fazit:

Der Bayerische Rundfunk hat sich im Nachhinein mit der Honorierung eine saubere Weste erkauft. Die Glaubwürdigkeit, die er zu Recht von seinen Autoren verlangt und insbesondere bei einem so hochsensiblen Thema wie „Exorzismus in Deutschland“ auch verlangen muss, hat er in diesem Falle allerdings verkauft.″

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