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Was geht schief im deutschen Radio?

Fragen und Kritik von Journalist zu Journalist

Was geht schief im deutschen Radio? Was stört den qualitätsbewussten Journalisten, was freut ihn und welche Fragen sollte sich jeder verantwortungsbewusste Journalist stellen?

Udo Seiwert-Fauti:

Am deutschen Radio stört mich derzeit…

  • wenn Journalisten und Moderatoren so tun, als würden sie LIVE Gespräche führen, diese aber vorab aufgezeichnet worden sind. Was sie aber mit keinem Wort erwähnen. Wie dumm müssen die Hörer gehalten werden , das diese nicht merken, wenn – wie erst gestern wieder geschehen – „Live“ Interviews so geschnitten sind, dass sie am Ende mit der Stimme in der Höhe bleiben oder abrupt enden ? Nebenbei, auch Moderatoren sind manchmal davon überrascht, wenn sie Beiträge anderer in ihren Moderatoren „abnehmen“.
  • wenn Korrespondenten anderer öffentl.- rechtlicher Anstalten als die „eigenen Korrespondenten“ ausgegeben werden. Hier wird dem Hörer vorgespiegelt man sei mit „seinen“ Korrespondenten immer und ewig vor Ort. Ehrlichkeit dem Hörer beginnt im Kleinen und setzt sich im Großen fort… .
  • wenn Beiträge wiederholt werden, die – wie zuletzt in einem öffentl. -rechtl. Sender gehört – 2 Jahre alt sind, in denen die Infos überaltert sind und – .wie ich herausgefunden habe, der Verfasser zudem noch nicht einmal weiß, das der alte Beitrag noch einmal – offensichtlich aus Kostengründen – gelaufen ist. Ohne irgendwelche Änderungen. Er als Autor steht aber mit seinem Namen gegenüber seinen Interviewpartnern dafür ein.
  • wenn Korrespondenten, zumeist feste Freie oder ganz Freie, von den Redaktionen gezwungen werden, sich als mit „vor Ort“ zu melden, obwohl sie am Ort des Geschehens waren, es niemals aus z.B. Zeitgründen sein konnten und daher den Beitrag aus dem Reporterstudio machen mussten.
  • wenn heute der Zeitgeist oder : Mainstream das tägliche Radiogeschehen bestimmt. Hintergrundinfo ist kaum mehr gefragt, dafür herrschen ständig und überall Klatsch und Tratsch vor. Eine Paris Hilton ist gerade in den Jugendsendern oft wichtiger als die Info über die Jugendarbeitslosigkeit.
  • wenn viele Sender meinen, sie könnten mit einer „Verknutisierung“ der Berichterstattung die Hörer an sich binden. Frage: Gehört das 1. Auftreten eines Eisbären im freien Gehege wirklich in Hauptnachrichtensendungen ? Selbst wenn 400 Journalisten anreisen, Redaktionen müssten wieder den Mut haben, dieses Thema als „unter ferner liefen“ abzuhandeln und dafür eigenen Schwerpunkte zu setzen. Doch, man glaubt es kaum, es gibt diese Methoden des Journalismus noch. Ab und zu höre ich sie noch… .
  • wenn eine Zeitung wie die Bild Zeitung die Themenlage in vielen aktuellen Radio Redaktionen bestimmt. Wissen wir nicht alle, wie selbstherrlich diese Zeitung oft berichtet, welchen Kampagnenjournalismus sie durchführt und wie falsch und überspitzt manche Meldungen und Berichte sind ? Ohne offensichtliche Gegenrecherche finden sich viele Bild Beiträge in Sendungen wieder. Es wird vorausgesetzt, das alles wäre richtig. Das kann es doch wohl keinesfalls sein. Mehr Mut zur „Bildlücke“.
  • Wenn Sender aller Art nicht mehr in die Ausbildung von Journalisten und Moderatoren investieren. Die Folge: Orte im ur- eigenen Sendegebiet werden z.B. falsch ausgesprochen ! Ein bisschen Regionalwissen darfs denn doch schon noch sein. Wo ist eigentlich die lange vom SDR in Stuttgart jährlich organisierte Regionalradio-Börse zum Austausch von Meinungen, Entwicklungen und zum Setzen von Qualitätsstandards selbst auf Regionalradio-Ebene geblieben ?
  • wenn immer mehr junge Kollegen meinen, Recherche sei die Arbeit mit dem Computer. Google und andere Suchmaschinen ersetzen harte und ausgiebige Recherchen nie und nimmer. Auch freie KollegInnen müssen lernen, dass Beiträge „handfest“ sein müssen. Zugegen, es macht Arbeit, man verdient mal an einem Tag nichts, aber gewinnt durch Qualität einen Namen im Journalismus. Die Sarkozy Hintergründe in Paris sind wichtiger als die schnelle Kohle mit dem Bankkonto von Paris Hilton ! Auch wenn letzteres einfacher im Radio zu händeln ist.
  • wenn KollegInnen im Radio über Europa reden, aber nicht wissen , was Europa letztlich ist. Europa ist wirklich, wirklich, wirklich nicht nur die EU und die 27 Staaten, die sich hinter dem EU-Europa verbergen. Alleine die OSZE kommt auf 56 europäische Staaten ! Ehrliche Antwort: Wer hätte das gewusst ?

Am Radio hat mich zuletzt gefreut…

  • das ein kleiner regionaler Kommerz – bzw. Privatsender in Baden- Württemberg eine eigene Auslandskorrespondentin im benachbarten Ausland hat, die ständig im Programm vertreten ist und ein gutes Standing in der kleinen Redaktion hat.
  • das es ab und zu noch „diese“ Moderatoren mit Ecken und Kanten gibt, die noch ihre jahrzehntelange Erfahrung in Sendungen einbringen und so wie sie auch privat sind, auch mal „frech“ mit den Hörern reden können, ohne diese vorzuführen.
  • dass es vermehrt wieder Sendungsinhalte gibt, in denen längerer Hintergrund selbst in Formatradios präsentiert wird.

Eine Frage an alle:Nachdem ich mit vielen Moderatoren und Journalisten gerade im aktuellen Bereich gesprochen habe:Könnte es sein…

  • dass die Formatradios und ihre zeitlichen Zwänge zu einem großen Verlust der journalistischen Qualität geführt haben ?
  • dass die Länge der Beiträge durch die Formatradios wichtiger geworden ist als der Inhalt ?
  • dass Moderatoren durch die Digitalisierung der Sendungen mehr auf die Technik achten müssen als auf die Inhalte während der Sendungen ? Was sich oft in Interviews deutlich auswirkt. Die Unkonzentriertheit beim Gespräch nimmt ab- und die Konzentration auf die Technik zu .

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