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Sind wir nicht alle ein bisschen Steinbrück? –
Radiomacher und ihre Nebenjobs

Schöne Schlagzeilen: Steinbrücks Nebeneinkünfte.
Und was verdienen Journalisten so nebenbei?

Das ist ein richtig gutes, schlagzeilen-trächtiges Thema: Peer Steinbrück und seine Haltung zu Nebenverdiensten, Jobs und Pöstchen der Politiker und sein Alltag außerhalb der Politik. Die Glaubwürdigkeit des designierten SPD-Kanzlerkandidaten ist mächtig ins Wanken geraten, auch wenn Steinbrück nun ganz vehement mehr Transparenz vorschlägt. Derweil werden Steinbrücks hohe Nebeneinkünfte vom politischen Gegner genüsslich zur kräftigen Kritik an seiner Person genutzt.

Die Medien mischen ausgiebig mit und überschlagen sich förmlich mit Argumenten und Meinungen in Sachen Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und Integrität eines Politikers und der notwendigen Unabhängigkeit von Banken, Industrie und Kapital.

Wie aber es ist um die Unabhängigkeit der Journalisten – speziell im Radio – selbst bestellt? Ein Zwischenruf, damit kritischer Journalismus weiter möglich ist.

Jeder Radiojournalist freut sich, wenn er neben seiner Tätigkeit für einen Radiosender im Sendegebiet auch einmal für andere Aufgaben angesprochen wird. Da wird der Leiter für eine Podiumsdiskussion gesucht, ein Conférencier für eine Unterhaltungsshow, ein Bühnenansager für eine Musikveranstaltung, ein Moderator fürs Firmenjubiläum, ein Stadionsprecher für den Fußballverein, ein Pressesprecher für ein gewerbliches Unternehmen.

Dennoch gibt es Gründe, solche Jobs abzulehnen.

Für die Veranstalter ist so ein Radiomensch zunächst eine gute zusätzliche Werbung, ein markantes Aushängeschild und damit oft auch verbunden: eine Bestätigung für die Bedeutung der Veranstaltung.

Für den Mitarbeiter eines Radioprogrammes (gilt natürlich auch für den Bereich Fernsehen und Printmedien) ist das neben einer meist interessanten, sprich lukrativen Verdienstmöglichkeit gleichfalls auch so etwas wie die Bestätigung seiner Arbeit – seine ganze Art, seine Kompetenz, seine Ausstrahlung samt seiner Stimme, sein Äußeres kommen eben an. Das Alles kommt somit allen Beteiligten zu Gute.

Was aber, wenn der Veranstalter mit dem Angebot an den Journalisten direkt oder auch indirekt eine Gegenleistung erwartet? Einen Beitrag im Vorfeld als Werbung, einen Beitrag als Rückblick, eine Collage mit Stimmen der Besucher, ein Statement des Veranstalters, …? Es wird vorher gefragt, ob das möglich wäre, es wird nicht selten – ohne ausgesprochen zu werden – auch erwartet. Gern zahlt der Veranstalter noch eine kleine Gage extra oder der Radiojournalist erzielt damit ein Honorar bei seinem Sender. Es wird auf jeden Fall finanziell interessanter.

Hier ein paar Beispiele, die für viele andere stehen und den Normalfall beschreiben:

  • Die IHK lässt eine Podiumsdiskussion moderieren. Thema: „Regionalität als Marketingkonzept mittelständischer Unternehmen“. Am nächsten Tag läuft ein Beitrag dazu im Regionalprogramm. Gemacht vom Moderator der Runde, einem Radioreporter.
  • Das Städtische Museum lässt die Vernissage zur neuen Ausstellung vom Radiomoderator des Lokalfunks präsentieren. Am nächsten Morgen sendet dieser in seiner Frühsendung Originaltöne vom Ausstellungsmacher, dem Museumsleiter und Besuchern der Veranstaltung und erzählt, wie toll der Abend war.
  • Ein Regionalreporter soll eine Musikveranstaltung moderieren, im Auftrag des Veranstalters. Drei Tage vorher erhält er den Auftrag, einen netten Vorbericht über die Musik, die Musikgruppen und den Veranstalter zu machen. Den Beitrag produziert er natürlich.

Böse, wer dabei Böses denkt. Doch wie wird/kann/muss eine solcher Beitrag (egal in welchem Format) sein? Wie neutral, distanziert, kritisch und eben unabhängig wird der Beitrag sein? Wagt ein Journalist, der somit ein Teil des Unternehmens, des Veranstalters oder der Veranstaltung selbst ist, tatsächlich, die Wirklichkeit zu spiegeln, Details kritisch zu hinterfragen oder redet er alles einfach schön, kehrt vieles ins Positiv und macht die Stimme seines Auftraggebers hörbar? Motto: „Wess‘ Brot ist ess, dess‘ Lied ich sing“?

Interessenkonflikte scheinen programmiert. Denn die Inhalte und die Entscheidung, wie ein Reporter über den Event vorher oder nachher berichtet, sind entscheidend mit der Frage verbunden, wie sehr er sich mit dem Thema verbunden fühlt. Und ist es nicht ein deutlicher Unterschied, ob man als unbeteiligter Journalist, als Zuschauer, Kulturkritiker, als interessierter Vertreter von Öffentlichkeit und damit als unabhängiger Berichterstatter über die Veranstaltung berichtet oder ob man als eingekaufter Moderator, Präsentator oder Kommentator dem Ereignis bewohnt?

Natürlich darf nicht unterstellt werden, dass jeder Veranstalter sich eines Journalisten in zweifacher Weise nur bedienen will, um ein Produkt gleich möglichst auch zweimal gut aus einer Hand vorstellen zu können. Und natürlich wird jeder gute Journalist sein Handwerk so unabhängig wie möglich ausführen. Dennoch wird es immer einen gewissen Interessenskonflikt geben, den es abzuwägen gilt.

Das gilt ebenso bei den Veranstaltungen, bei denen Rundfunkanstalten, Medienhäuser oder Redaktionen selbst als Medienpartner fungieren. Auch dort stellt sich die Frage nach Unabhängigkeit und journalistischen Grundhaltungen und dem dann notwendigen Verhaltenscodex. Wie häufig sind mit solchen Partnerschaften auch gegenseitige Werbeverträge, Produkthinweise oder einfach nur sich das „Auf-sich aufmerksam-Machen“ verbunden.

Unstrittig sind Veranstaltungen, bei denen Themen diskutiert, erörtert im Pro und Kontra präsentiert werden und die nicht nur einen Veranstalter haben (politische Streitthemen, Podiumsdiskussionen, …). Sie sind in der Regel nicht-gewerblich und bringen daher Journalisten auch nicht wirklich in einen Konfliktfall. Neutralität in Hinblick auf das Thema und im Verhältnis zu den Kontrahenten ist meist hilfreich, wenn auch nicht eine grundsätzliche Voraussetzung dafür, seinen Job journalistisch fair und sachlich auszuüben.

Soll man im Umkehrschluss bei allen anderen Gelegenheiten und bei Angeboten für einen Tätigkeiten im öffentlichen Raum, bei der es am Ende um die Vermarktung einer Idee, einer Meinung und eines Produktes geht, die Mitarbeit verweigern? Eine eindeutige Antwort zu geben, ist aus den oben genannten Gründen mehr als schwierig. Nachdenken aber muss sein und sollte als eine journalistische Grundtugend verstanden werden – auch und vor allem von den potentiellen Auftraggebern.

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