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Robbie, Deine Lotterie lässt sogar mein Programm zittern!

Hat sich das Radio von der Plattenindustrie austricksen lassen?
Und: Wieviel Musik-PR verträgt das Radio?

“Dann verlosen Sie doch schnell noch eine Probefahrt mit unserem neuen Fahrzeug! Das können Sie doch mal machen!“ oder „Trommeln Sie doch noch mal für unser Konzert. Gibt auch zwei Backstage-Pässe für Ihre Mitarbeiter!“ Solche oder ähnliche Anfragen sind Tagesgeschäft und werden zumeist elegant abgebogen: „Da verbinde ich Sie doch mal mit unserer Verkaufsabteilung!“ Ob ein Thema redaktionell on air geht oder nicht, wird nach den klassischen Kriterien Relevanz, Gesprächswert und Nutzwert entschieden. Nicht entscheidend sollten die eigenen Befindlichkeiten oder gar Schwärmereien des Radiomachers sein.

Bei Robbie Williams ist alles anders. Antenne Kreuznach gewinnt bei einer speziellen Radiolotterie des Musiklabels einen exklusiven Besuch von Robbie und Geschäftsführerin Doreen Gesierich ist völlig aus dem Häuschen: „Oh Gott, mir ist ganz schlecht und ich zittere am ganzen Körper. Das ist jetzt aber kein Scherz, oder? Ich kann es noch gar nicht glauben. Robbie Williams kommt wirklich zu uns in den Sender!” Ihr Sender musste für Robbies-Besuch auch einiges tun. 

Permanent wurde der neue Titel „Candy“ im Programm rauf und runter gespielt, immer in der Hoffnung, den magischen, vorher ausgelosten Zeitpunkt der Ausspielung zu treffen. Dafür wurden sogar Nachrichten verschoben. Es hat sich gelohnt: Gratulation, Robbie kommt nach Bad Kreuznach!

Natürlich schmücken Stars und Sternchen die Radioprogramme. Üblicherweise basieren die Besuche auf einem recht fairen Deal: Die Stars kommen auf Sendung, promoten ihr neues Album oder ihre Tour und dann wird noch ein Titel gespielt. So läuft es im Fernsehen wie im Radio, so kennt es der Hörer oder Zuschauer.

Promis über Lotterien zu verlosen, ist auf dem deutschen Radiomarkt recht neu und stimmt nachdenklich. PR-Agenturen und Musiklabels nahmen bei der Robbie-Lotterie massiven Einfluss auf die Musikrotation und bestimmen die Rahmenbedingungen. Wie wird der Besuch verlaufen? Darf der Moderator überhaupt unabgesprochene, kritische Nachfragen stellen, wo doch die eigene Senderchefin vor Aufregung „am ganzen Körper zittert“?

Antenne Kreuznach ist der Robbie-Williams-Besuch zu gönnen, aber wie würden wir reagieren, wenn dieser Deal auch in anderen Branchen in Mode kommt: „Erwähnen Sie doch bitte ganz oft unser neues Automodell und wir verlosen unter allen Redakteuren einen Neuwagen?“, „Berichten Sie doch bitte oft und freundlich von unserem Parteitag. Dann frühstückt auch der Ministerpräsident bei Ihnen im Sender!“

fair radio wünscht allen Radiomachern journalistisches Rückgrat statt zitternde Knie!

 

Links zum Thema:
Bericht von Lars Wienand in der Rheinzeitung vom 30.9.2012
Bericht von Frank Schmid-Wyk in der Allgemeinen Zeitung vom 1.10.2012

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