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Arno heißt jetzt Elvis: Dreiste Lüge bei Radio NRW

UPDATE – Reaktion der MABB
Der Sender behauptet, bei ihm würden für Spaßtelefonate Hörer anrufen. Die Gespräche mit Comedian Elvis Eifel sind aber gefälscht.

Man kann das Rad nicht ständig neu erfinden. Diese Erkenntnis gilt auch für Radiosender. Gute Ideen verbreiten sich, auch über Ländergrenzen hinweg, und gute Formate werden schonmal an anderer Stelle übernommen. Die „neue“ Telefoncomedy, die seit Anfang März bei Radio NRW getestet wird, ist allerdings nicht einfach nur gut abgeguckt.

ArnoElvismorph

Kein Zufall. Fake! Erst hört man Arno Müller, dann Elvis Eifel telefonieren. Mit denselben AnruferInnen. Wortgleich.

Radio NRW hat das Format, die dazugehörigen „Anrufer“-O-Töne und Skripte eingekauft und gibt diese aktuell als eigene, innovative Idee aus. Problematisch dabei: Eine zentrale Rolle spielen angeblich die eigenen Hörer.

„Ich hab in diversen Zeitungen Kleinanzeigen geschaltet“, erklärt Jürgen Bangert, alias Elvis Eifel von Radio NRW, und er habe „also in diesen Kleinanzeigen hier alle unsere Studionummern angegeben“.

Hörbar war dieser Auszug aus einem Kollegengespräch zur neuen Telefoncomedy unter anderem im Vormittagsprogramm von Radio NRW, einem Mantelprogramm, das Lokalsender aus ganz Nordrhein-Westfalen übernehmen. Aber auch an anderen Stellen gab es inhaltlich identische Programmstücke. Allen gemeinsam ist: Sie suggerieren, Hörer könnten jederzeit selbst zum Elvis-Eifel-Opfer werden, indem sie auf eine unscheinbare Zeitungsanzeige oder Kleinanzeige im Internet reagieren.

Ständig erreichbar – im Studio. Rund um die Uhr auf der Lauer – um sofort alles aufzeichnen zu können. Morgens, spätabends, am Wochenende. Dann wenn Kleinanzeigenleser eben anrufen. Das klingt schwer umsetzbar für einen Radiosender, dessen Mitarbeiter ja auch mal frei haben. Schon auf den ersten Blick könnten hier Zweifel aufkommen, spätestens aber beim genauen Hinsehen offenbart sich: Was der Mantelprogrammanbieter Radio NRW seinen Hörern als eigene, echte Comedy verkauft, ist ein echter Fake. Schlimmer noch: Bei der Präsentation der neuen Comedy wurden die Hörer dreist belogen.

Denn die Anrufer, die 104.6-RTL-Morgenmoderator und -Programmchef Arno Müller im Herbst des vergangenen Jahres angeblich in Berlin am Telefon hatte, ähneln doch verblüffend denen, die auf Elvis Eifels angebliche Anzeigen in NRW reingefallen sein sollen. Vergleichen wir einfach die Folge „Playboy“ – im „Original“ und bei Radio NRW.

Es bleibt kein Zweifel mehr: Hier handelt es sich um genau dieselben Gespräche. Die exakt selben O-Töne der angeblichen Anrufer. Die exakt selben Gags der beiden Moderatoren.

Aufgefallen ist das nicht nur uns, sondern auch einigen Hörern. Nachzulesen zum Beispiel in diesem Radioforen-Thread.

RadioforenPostAnzeigenfalle

Alle bisher gesendeten Folgen von Radio NRW sind bis auf die ausgetauschten Moderatoren identisch mit den Folgen bei 104.6 RTL. Sie sind in beiden Fällen jeweils so geschickt ineinander gebaut, dass es tatsächlich wie ein in Wirklichkeit geführtes Gespräch klingt. Wenn aber beide Moderatoren an jeweils einer anderen Stelle ihrem „Anrufer“ leicht ins Wort fallen und die Übergänge so lebendig klingen – dann hat offenbar keiner von beiden jemals dieses Gespräch geführt. Es liegen ganz offensichtlich Roh-Töne vor, die später ausproduziert wurden. Daraus macht Radio-NRW-Pressesprecherin Ina Pfuhler nicht einmal ein Geheimnis:

„Die „Anzeigenfalle“ ist ein attraktives und konzeptbedingt sehr aufwändiges Telefon-Comedy-Format, das von RTL Radio Center Berlin produziert und erfolgreich bei verschiedenen Radiosendern regional ausproduziert ausgestrahlt wird. Auch wir haben für den NRW-Lokalfunk eine Staffel eingekauft.“

Auf Nachfrage ist keine Rede mehr von geschalteten Anzeigen (Beispiele wurden uns ebenfalls nicht genannt). Keine Rede mehr von echten Gesprächen. Vom ständig im Studio wartenden Elvis Eifel. Das klang im Kollegengespräch im Mantelprogramm der NRW-Lokalradios doch noch ganz anders.

Vom Verkäufer dieser Fake-Comedy, der RTL Radio Center Berlin GmbH, gibt es überhaupt keine Antworten auf unsere Fragen. Hier heißt es nur sehr knapp:

„Wir bitten Sie um Verständnis dafür, dass wir über interne Produktionsabläufe keine Auskunft geben können.“

Auch aus Berlin gibt es also keine Beispiele oder Beweise für die somit weiterhin nur angeblich geschalteten Anzeigen. Und keine Erklärung, ob Moderator und Programmchef Arno Müller wirklich selbst mit den angeblichen Anrufern telefoniert hat. Warum diese Geheimniskrämerei? Sollte es die Anzeigen wirklich gegeben haben und die Anrufer authentisch sein, dann müsste man sie doch nicht verstecken. Oder gab es am Ende etwa gar keine echten Anzeigen? Gar keine echten Anrufer?

Uns ist klar, dass Radio-Comedy oft fiktional ist. Das ist hinlänglich bekannt und auch völlig unproblematisch. Telefoncomedy ist hier allerdings immer schon eine Ausnahme gewesen. Die Gespräche sind nur deshalb witzig, weil sie sich eben kein Autor vorher ausgedacht hat. Weil die Reaktionen der nichtsahnenden Comedy-Opfer spontan sind. Wenn dann die Hörer dreist belogen werden – nicht subtil oder durch Weglassen der Erklärung, sondern ganz explizit, weil es offenbar gar keine Anzeigen gegeben hat, weil Elvis Eifel und wahrscheinlich auch Arno Müller niemals mit diesen angeblichen Anrufern telefoniert haben – dann verspielen die Sender alles, was sie besitzen: ihre Glaubwürdigkeit.

So ein Hörerbetrug strahlt weit über den vermeintlich unseriösen und unwichtigen Bereich der Comedy hinaus. Hörer denken sich ihren Teil und im schlimmsten Fall bleibt ganz unterbewusst eine Erkenntnis hängen: Wer schon bei Comedy lügt, der ist auch an anderer Stelle – wenn es um wichtige, seriöse Infos geht – nicht ehrlich. Nicht vertrauenswürdig.

UPDATE – Reaktion der MABB

Wer sich beschwert, bekommt immerhin Antwort: Wenn auch enttäuschende. Auf unsere Programmbeschwerde hin, schreibt die Mediananstalt Berlin Brandenburg MABB nach knapp drei Monaten Prüfung:

„Im Ergebnis verstößt die Comedy-Serie „Anzeigenfalle“ nicht gegen rundfunkrechtliche Bestimmungen, insbesondere nicht gegen die Berichterstattungsgrundsätze nach § 10 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) und die Allgemeinen Programmgrundsätze des § 41 RStV.“

Immerhin räumt die Sprecherin einm dass man sich drüber streiten kann, ob das „Wir-tun-so-als-ob“-Hörergewinnspiel wirklich witzig ist. Und sie gibt sogar zu:

„…es ist sicher auch aus ethisch-moralischer Sicht fragwürdig, wenn Hörern der Eindruck vermittelt wird,  gescriptete Telefonate seien real und  sie damit über deren Entstehung „getäuscht“ werden.“

Getan wird aber trotzdem nichts. Schade. Wieder ein Stück Glaubwürdigkeit gestorben.

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