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Was tun, wenn mich meine Redaktion beauftragt, nach einem Gerichtsprozess O-Töne von Angehörigen eines Opfers zu holen, ich das aber nicht möchte?

Frage einer Volontärin beim Ethik-Gespräch mit Sandra Müller an der Evangelischen Medienakademie Düsseldorf. Ihre Antwort:

In diesem und ähnlichen Fällen gilt der alte Spruch: ″Journalisten sind auch Menschen″. Leider verdrängen sie das oft, und tun dann in ihrer Rolle als Journalisten, Reporter oder Moderatoren Dinge, die sie privat für verwerflich halten. Der Respekt vor dem Gegenüber, die Frage ″Würde ICH in dieser Situation jetzt ein Mikrofon unter die Nase bekommen wollen?″ sollte aber zum Grundrepertoire eines jeden Reporters gehören. Ebenso Höflichkeit und Feingefühl.
Außerdem sollten Reporter sich Grundkenntnisse aneignen über den richtigen Umgang mit möglicherweise traumatisierten Menschen. Tatsächlich kann man als Reporter da auch Schaden anrichten. Beim Gegenüber UND sich selbst. Das eigene Gewissen und Empfinden ist also durchaus erst einmal eine Richtschnur und insofern gilt eben: ″Mensch bleiben″.

Im konkreten Fall könnten aber auch weitere Erkundigungen helfen, sachlich zu begründen, ob ein Gespräch angemessen ist oder nicht. Das wiederum kann dann auch helfen, die Entscheidungen in der Redaktion zu begründen:

  • Sind die Angehörigen und möglichen Gesprächspartner in psychologischer Betreuung?
  • Raten die Betreuer von einem Gespräch ab? Oder halten sie es für unbedenklich?
  • Suchen die Angehörigen selber die Medien?
  • Welchen Eindruck hat der Anwalt (die Angehörigen sind ja oft Nebenkläger) von der psychischen Situation seiner Mandanten und möglichen Gesprächspartner?
  • Gibt es Zeugen- oder Prozessbetreuer, die die Situation einschätzen können?

Je nach Auskunft sind dann auch Kompromisse möglich: Man führt als Reporterin ein Gespräch mit den Angehörigen, zeichnet aber nicht auf, sondern lässt die Eindrücke und Aussagen in einen Beitrag einfließen.

Für Aufträge, die den eigenen ethischen Vorstellung komplett entgegen stehen, sollte man sich als Reporter indes nicht hergeben. Ein guter Gradmesser ist da oft die Frage: Würde ich wollen, dass meine Familie/meine Freunde wissen, was ich da mache/gemacht habe?

Oder: Wie sehr und wie lange würde es mich belasten, wenn ich das mache?

Oder eben ganz grundsätzlich: Kann ich das mit meinem Gewissen vereinbaren?

Solche Gewissensentscheidungen sind in der Redaktion zwar oft schwer zu vermitteln, sollten aber auf jeden Fall besprochen werden.

Creative
″FAQ Ethik im Hörfunk – FAIR RADIO antwortet″ von Sandra Müller, FAIR RADIO steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.
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